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Pappritz on Tour: Instagram-Projekt zur Indienreise der Frauenrechtlerin Anna Pappritz

Pappritz on Tour: Instagram-Projekt zur Indienreise der Frauenrechtlerin Anna Pappritz

Pappritz on Tour: Instagram-Projekt zur Indienreise der Frauenrechtlerin Anna Pappritz

Anna Pappritz Indisches Tagebuch

Von November 1912 bis Februar 1913 reiste die Berliner Frauenrechtlerin Anna Pappritz (1861-1939) nach Ceylon (heute: Sri Lanka) und Indien. Auf dieser Reise führte sie ein Reisetagebuch, das sie in wöchentlichen Kapiteln nach Hause an ihre Lebensgefährtin Margarete Friedenthal schickte. Im Sommer 2020 habe ich dieses Reisetagebuch mit einer Einführung und erläuternden Kommentaren versehen als Buch herausgebracht. Zum 110. Jahrestag der Abreise soll die Reise nun in dem Instagram-Projekt „Pappritz on Tour“ erfahrbar werden. Kontext darf dabei natürlich nicht fehlen: In den Kommentaren wird die „Schreibkraft“ auch Hintergrundinformationen bieten – und die manchmal befremdlichen Sichtweisen der Protagonistin in Perspektive setzen. Immerhin befinden wir uns mitten im Zeitalter des Kolonialismus und Imperialismus, und Anna Pappritz war eine weiße, großbürgerliche Berlinerin. Die Stimmen der Bevölkerung, die sie beschreibt, bleiben in ihrem Tagebuch stumm. Kompensieren lässt sich das nicht. Aber es lässt sich einordnen.

Historische Reiseberichte von Frauen sind ein beliebtes Genre. Reisende Frauen um 1900 sprengten und verschoben Grenzen. Sie nahmen sich Handlungsräume, erkämpften sich damit auch ein neues Verhältnis zu ihren Körpern und zur Welt um sie herum. Das gab ihrem Selbstvertrauen einen kräftigen Schub, der in den Reiseberichten immer wieder greifbar wird – so auch bei Mary Kingsley und Amelia Edwards, um nur zwei Beispiele zu nennen.

Gleichwohl ist die Geschichte fernreisender weißer Frauen alles andere als eine reine Heldinnengeschichte. Reisende Frauen um 1900 wagten Neues; gleichzeitig nutzten sie auf Reisen koloniale Strukturen, ließen sich als Weiße Vorrang gewähren, schauten mit Überlegenheitsgefühl auf die besuchten Länder und ihre Menschen. So wichtig ihnen selbst Freiheit und Gleichberechtigung waren: Fremdherrschaft und Rassismus stellten sie selten in Frage. Auch Anna Pappritz ist da keine Ausnahme. Ihr Reisetagebuch ist damit nicht nur Zeitdokument, sondern auch Herausforderung für unseren Blick auf die Geschichte reisender Frauen.

Wer war Anna Pappritz?
Anna Pappritz Indisches Tagebuch
Anna Pappritz in Kandy. Bild: BArch N1151-341, Fol. 9

Anna Pappritz wurde 1861 im lebusischen Radach (heute Radachów) geboren. Zunächst deutete nichts darauf hin, dass sie einmal Frauenrechtlerin werden sollte. Als einzige Tochter eines Gutsbesitzers verbrachte sie eine behütete Kindheit. Ein Unfall, der schwere Spätfolgen nach sich zog, schränkte ihre Mobilität zusätzlich ein.

Nach dem Tod des Vaters zog sie mit der Mutter nach Berlin. Auch dort lebte sie zurückgezogen – bis sie auf einer Erholungsreise in England mit der Frauenbewegung in Kontakt kam. „Das war für mich wie eine Offenbarung!“ schrieb sie. Wieder zurück in Deutschland, knüpfte sie Kontakte zu den Kreisen um Minna Cauer und fand nicht nur ein neues Aufgabengebiet, sondern auch Freundinnen – und die Liebe der zehn Jahre jüngeren Margarete Friedenthal.

Anna Pappritz verschrieb sich dem Kampf gegen die „Reglementierung der Prostitution“. Prostitution war damals nicht verboten, sondern polizeilich reglementiert. Die Frauen wurden Schikanen ausgesetzt, während Prostitution für Männer als „hygienische Notwendigkeit“ galt. Anna Pappritz und der von ihr gegründete Berliner Zweigverein der „Internationalen Abolitionistischen Föderation“ bekämpften diese Doppelmoral.

Das war alles nicht perfekt. Die Perspektive betroffener Frauen hören wir zum Beispiel selten. Viele Positionen der Abolitionist*innen würden wir heute aus gutem Grunde kritisch sehen. Zugute halten kann man ihnen gleichwohl, dass sie die strukturellen Ursachen der Prostitution zu bekämpfen versuchten – einschließlich der Unmöglichkeit für Frauen, sich einen menschenwürdigen Lebensunterhalt zu verdienen. Sie sprachen mit Sexarbeiterinnen, hatten ein ehrliches Interesse an ihrer Situation. Das ist mehr als man für die meisten anderen bürgerlichen Frauen ihrer Generation sagen kann. Und: Sie wandten sich konsequent gegen jede Kriminalisierung.

Die Indienreise

Im Winter 1912/1913 reiste Anna Pappritz nach Indien. Was sie dort erlebte und wie sie überhaupt auf die Idee gekommen war, war lange unbekannt. Pappritz reiste gern, aber Fernreisen gehörten eher nicht zu ihrem Programm. In ihrem Tagebuch, das im Helene-Lange-Archiv im Berliner Landesarchiv aufbewahrt wird und über den Meta-Katalog des Digitalen Deutschen Frauenarchivs online einsehbar ist, steht dazu lediglich in einem Eintrag vom Winter 1913: „Vom 2. N 12 bis 24. Feb 13 dauerte m. Indische Reise“.

Sonst nichts.

Kein Erfahrungsbericht, keine Postkarte, keine Fotos, auch kein Artikel in einer der vielen Frauenbewegungszeitschriften, für die Pappritz schrieb. Ihre Reisegefährtin Katharina Scheven hatte zwar einige Artikel über die Reise veröffentlicht, aber Anna Pappritz erwähnte sie darin nicht.

Im Sommer 2019 fand ich bei einem Rechercheaufenthalt im Bundesarchiv schließlich das Reisetagebuch. Es war ein Zufallsfund – eigentlich hatte ich im Nachlass der Politikerin Marie-Elisabeth Lüders nach Briefen an Frauenrechtlerinnen gesucht. Man ließ mich in einen noch unerschlossenen Karton im Magazin schauen, in dem sich eine Mappe mit der Aufschrift „Anna Pappritz“ befand. Darin: ein Typoskript mit der Aufschrift „Indisches Tagebuch“. Es war eine Abschrift des Tagebuchs, das Anna Pappritz von unterwegs regelmäßig nach Hause geschickt hatte. Vielleicht hatte Margarete Friedenthal sie in Auftrag gegeben; Pappritz hatte sie nachträglich allerdings noch von Hand korrigiert. Das Tagebuch zirkulierte auch unter Freundinnen – und es sollte offenbar für die Nachwelt aufbewahrt werden.

Mehr über den Fund, die Entstehungsgeschichte, über Anna Pappritz, reisende Frauen und den Tourismus um 1910 erzähle ich in der Einleitung zum Buch und im Begleitdossier, das auch auf dieser Internetseite zu finden ist. Und auf Instagram heißt es ab 2. November 191… Verzeihung, 2022: „Pappritz on Tour!“