Anna Seghers – geboren heute vor 122 Jahren

Anna Seghers – geboren heute vor 122 Jahren

„SCHÄMEN SIE SICH NICHT, SIE ALTE SAU?“ 🐖

Diese Frage soll Kulturminister Johannes Becher 1951 einer Frau entgegengeschmettert haben, die sich nackt am Strand von Ahrenshoop sonnte – eine Ausgabe des Neuen Deutschland über dem Gesicht, um die Augen vor der Sonne zu schützen. Was er nicht wusste: Wenige Tage später würde er dieser Frau den Nationalpreis verleihen. Es war die Schriftstellerin Anna Seghers.

Anna Seghers kam am 19. November 1900 in Mainz zur Welt. Als Jüdin und Antifaschistin war sie nach 1933 in Deutschland nicht mehr sicher. Einmal wurde sie vorübergehend von der Gestapo inhaftiert. Mit ihrem Mann László Radványi und den beiden Kindern Peter und Ruth verließ sie daraufhin noch im selben Jahr die Wohnung der Familie in der Helmstedter Straße 24 in Berlin-Wilmersdorf und ging ins Exil – zunächst in die Schweiz, dann nach Paris und über mehrere Stationen nach Mexiko. Dort stellte sie ihren berühmten Roman „Das siebte Kreuz“ fertig, den sie bereits in der Pariser Zeit begonnen hatte.

Wieder in Deutschland

Nach dem Krieg kehrte Anna Seghers nach Deutschland zurück. Sie ließ sich in der DDR nieder, erhielt dort zahlreiche Preise und wurde unter anderem Präsidentin des Schriftstellerverbands.

Anna Seghers glaubte an den Kommunismus. Sie hoffte, in ihm eine Verwirklichung ihrer Ideale einer besseren und gerechteren Welt erleben zu können. Öffentlich übte sie nie Kritik am Vorgehen des Regimes – weder, als ihr Verleger Walter Janka aus politischen Gründen inhaftiert wurde, noch als sich viele ihrer Schriftstellerkolleg*innen und noch mehr ihrer anderen Mitmenschen Repressalien ausgesetzt sahen. Nicht nur bekannte Regimekritiker*innen, auch viele ihrer Lesenden waren davon enttäuscht.

Anna Seghers starb 1983 in Ost-Berlin.

Wie war das mit der „Alten Sau“?

Stimmt, die Sache mit der „Alten Sau“ hatte ja noch ein Nachspiel! Als Kulturminister Becher bei der Verleihung des Nationalpreises im Herbst 1951 nämlich mit den Worten „Meine liebe Anna“ zu seiner Würdigung anhob, unterbrach Seghers ihn mit den (leisen, aber deutlich vernehmbaren) Worten: „Für dich immer noch: die alte Sau!“

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Zum Weiterlesen:

Mehr über Anna Seghers und einen Versuch einer Einordnung ihrer Haltung in der DDR findet ihr z. B. in diesem Porträt von Johannes Christof; die Geschichte mit der „alten Sau“ erzählt u. a. dieser Artikel.

Bildquelle: Bundesarchiv, Bild 183-F0114-0204-003 / Hochneder, Christa / CC BY-SA 3.0 DE (via Wikimedia Commons).

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Interesse an mehr Frauengeschichte? Im Podcast und im Blog der Frauen von damals findest du jede Menge davon!