Folge 6: Adelaide Casely-Hayford – Eine Frauenrechtlerin aus Sierra Leone

Adelaide Casely-Hayford, geboren 1868 in Freetown, lebte unabhängig, bereiste drei Kontinente und reformierte die Mädchenbildung in ihrer Heimat Sierra Leone. Die Geschichte einer selbstbewussten Frau, die Chancen ergriff und Konflikte nicht scheute.

Wenn wir in Europa über Frauenrechtlerinnen um 1900 lesen, stoßen wir wahrscheinlich sehr schnell auf die Namen der amerikanischen Pionierinnen Susan B. Anthony und Carrie Chapman Catt, der britischen Suffragette Emmeline Pankhurst oder der deutschen Frauenrechtlerinnen Anita Augspurg, Minna Cauer und Helene Lange. Dass es auch Schwarze Frauenrechtlerinnen gab, wird zwar in den USA seit geraumer Zeit besser beleuchtet, aber um hierzulande auf Namen wie die der Amerikanerinnen Sojourner Truth oder Ida B. Wells zu stoßen, muss man schon tiefer in die Materie einsteigen. Erst langsam ändert sich das – dank neuerer Forschung oder zum Beispiel dem Podcast Herstory von Jasmin Lörchner, die in Folge 2 von Ida B. Wells erzählt.

Auch in afrikanischen Ländern kämpften Frauen um 1900 um die Rechte von Frauen und Mädchen. Adelaide Casely-Hayford war eine von ihnen. Geboren wurde sie 1868 in Freetown als Adelaide Smith. Sie wurde Lehrerin und heiratete 1903 – im damals fortgeschrittenen Alter von 35 Jahren – den Rechtsanwalt und Panafrikanisten Joseph Casely-Hayford. Die Ehe lief nicht gut, und bald ging das Paar getrennte Wege. Joseph blieb an der Goldküste, wo er sich bald in Liebesdingen anderweitig orientierte, und Adelaide zog mit Tochter Gladys nach England und später zurück nach Freetown.

Neuorientierung als Frauenrechtlerin

Dort begann Adelaide Casely-Hayford, Vorträge über die Rechte von Frauen und Mädchen zu halten. Ein großes Anliegen war ihr die rechtliche Situation verheirateter Frauen. Ab etwa 1914/15 war sie damit in Freetown eine wahrnehmbare Größe, die sich konsequent für Frauen einsetzte. Da war sie 45.

Der Aktivismus des Wortes war ihr jedoch nie genug: 1920 reiste sie in die USA, um Geld für eine Mädchenschule zu sammeln. Der Plan gelang, und 1923 eröffnete Adelaide Casely-Hayford die Girls’ Vocational School in Freetown. Diese Schule vermittelte Mädchen nicht nur – wie damals an Mädchenschulen üblich – die Fähigkeiten, einen Haushalt zu führen, sondern auch eine Berufsausbildung. Casely-Hayford war dabei besonders wichtig, dass afrikanisches Kunsthandwerk gelehrt wurde. Auch sie selbst ließ sich (in einer Zeit, in der Frauen des sierra-leonischen Bürgertums sich gern gern europäisch kleideten) fast ausschließlich in traditioneller westafrikanischer Kleidung sehen.

Adelaide Casely-Hayford lag sehr daran, dass ihre Schülerinnen die Chance bekamen, Stolz zu empfinden – als Frauen und als Afrikanerinnen. Sie leitete die Schule bis 1940, als sie sich aus Altersgründen zur Ruhe setzte. Es wird wohl kaum jemanden verwundern, dass sie in der Gesellschaft Freetowns als streitbar wahrgenommen wurde. Ihren Kolleginnen in anderen Ländern ging es da auch nicht anders …

Im Podcast erfahrt ihr mehr über diese Frau, die die Historikerin Adelaide Cromwell als „African Victorian Feminist“ bezeichnete, und die unabhängig lebte, drei Kontinente bereiste und Konflikte nicht scheute, um ihre Ziele zu erreichen.

Die Folge findet ihr auch im Podcast-Player eurer Wahl unter „Frauen von damals“ oder hier direkt auf der Hosting-Seite.

Zum Weiterlesen:

Adelaide Cromwell:  An African Victorian Feminist. The Life and Times of Adelaide Smith Casely Hayford (1868-1960), Washington D. C.  1992
Keisha Blain: Emerging Feminisms – A Historical Note. Pan-African Feminist Adelaide Casely-Hayford, The Feminist Wire, 28. März 2016.
Brittany Rogers: Adelaide Smith Casely Hayford (1868-1960), Black Past, 8. März 2009.
Mary Louise Pratt: Imperial Eyes. Travel Writing and Transculturation. London/New York 1992.

Bildquelle:

Adelaide Cromwell:  An African Victorian Feminist. The Life and Times of Adelaide Smith Casely Hayford (1868-1960), Washington D. C.  1992